Kult(o)ur im Ahrtal – Eine unvergessliche Fahrt

Nach wochenlanger Vorbereitung war es am Himmelfahrtswochenende soweit: Rund 35 Musiker:innen aus Niedersachsen machten sich gemeinsam auf den Weg ins Ahrtal, um dort mit ihrer Musik den Menschen eine Freude zu bereiten. Fast ein Jahr ist es her, dass das Ahrtal von der Flutkatastrophe am 14.07.2021 überrascht wurde und überall schwere Schäden angerichtet hat. Noch heute ist die Zerstörung an allen Orten entlang der Ahr deutlich zu sehen und jede Hilfe wird weiterhin benötigt. „Wir sind keine guten Handwerker, dafür aber Musiker und hoffen so unseren Beitrag für die Region leisten zu können“, erläutert Martin Opitz in seiner Ansprache beim ersten Konzert in Altenburg. So entstand auch die Idee zum Projekt „Kult(o)ur im Ahrtal“ zur Unterstützung der Kultur in der Region: Eine Tour durchs Ahrtal mit der Botschaft, dass es weitergeht mit Veranstaltungen, Festen, Musik und Tourismus.

Für das gesamte Wochenende waren die Musiker:innen in der Alten Schule in Insul untergebracht oder haben nebenan auf der Wiese gezeltet. Zum Duschen mussten sie 10 min zum Sportplatz laufen und an den Wasserhähnen stand teilweise noch „kein Trinkwasser“ dran. Doch all dies war kein Problem, denn für jeden Einzelnen war es ein Herzensprojekt dazu beizutragen,die Kultur ins Ahrtal zurück zu bringen.
Bei einer Führung durch das Dorf Insul wurde es aber auch bei den Musiker:innen am Freitagvormittag ganz still, als Manfred Schmitz seine Erlebnisse von der Flutkatastrophe berichtete. „Knapp 9 Meter war die Flutwelle hoch und hat die Brücke einfach weggerissen. Ein Anwohner konnte sich dabei noch auf einen Baum retten und musste die ganze Nacht dort verbringen, da wir aufgrund der Wassermassen nicht an ihn herankamen“, erläutert Herr Schmitz und deutet auf einen knapp 15m hohen Baum.  Immer noch sind entlang der Ahr Großteile der Häuser unbewohnbar und es wird Jahre dauern, bis alle Anwohner:innen zurückkommen können. Den Musiker:innen sah man die Betroffenheit sichtlich an und jede:r merkte schnell, wie wichtig die Unterstützung für die Anwohner:innen ist.
Am Nachmittag ging es dann auf dem Marktplatz in Ahrweiler mit dem zweiten Konzert bei bestem Frühlingswetter weiter. Erst zwei Wochen zuvor hatten hier die ersten Lokale wieder geöffnet und die Freude und Dankbarkeit der Anwohner:innen über die Musik war deutlich zu spüren. „Seit der Flut ist zum ersten Mal wieder Leben auf dem Marktplatz“, erzählte eine Passantin freudestrahlend. So dauerte das für 2 Stunden geplante Konzert auch schnell über 3 Stunden, bis die Musiker:innen sich nach der dritten Zugabe verabschiedeten.
Der Samstag bedeutete mit drei Konzerten auch für die Musiker:innen ein anspruchsvolles Programm. Ob im Versorgungszelt in Ahrbrück, mitten in den Weinbergen auf dem Rotweinwanderweg in Dernau oder abends beim „Heimspiel“ in Insul, jedes Konzert hatte seinen eigenen Charme. Es konnten Menschen unterschiedlichen Alters erreicht werden mit ganz unterschiedlichen Geschichten – Anwohner:innen (teils schlimm von der Flut betroffen) bis hin zu Touristen, die es sich nicht nehmen lassen wollten, mit Blick auf die Weinberge den leckeren Ahrwein zu kosten.

 


Damit die Kultur aber auch langfristig wieder aufgebaut werden kann, wurden zur Reise nicht nur die Instrumente eingepackt, sondern im Vorfeld auch fleißig Spenden gesammelt. Insgesamt kamen hierbei 8.906,00 EUR an Spendengeldern zusammen, welche die Musiker:innen an kulturelle Einrichtungen und Projekte vor Ort übergeben konnten. In jedem Ort, in dem ein Konzert gespielt wurde, wurde in Ansprache mit den Ortsbürgermeistern und Kulturbeauftragten vor Ort ein spezifisches Projekt ausgewählt, die zusammengenommen zeigen, wie vielfältig Kultur ist. Die Unterstützung gilt dem Blasorchester in Insul, einer Flutmusik von Komponist Marc Marshall in Ahrweiler, der „Kulturreihe im Krisenherd“ in Mayschoß, der Instandsetzung der Wanderwege in Dernau und der Errichtung eines Themenwanderweges für Familien in Altenburg sowie ein Ort der Besinnung/Erinnerung an die Flut in Ahrbrück.
Am Sonntag hieß es dann aufräumen, Zelte zusammenpacken und Abfahrt zum letzten Konzert nach Mayschoß, wo die Musik vom Weinberg durch das gesamte Tal zu hören war. Abschließend blickte jede:r in zufriedene Gesichter und die einheitliche Meinung war – „Wir wollen wiederkommen!“